Spielkultur

Ein wenig Spielkultur gehört dazu

Im privaten wie im beruflichen geben Regeln und Konventionen den unterschiedlichsten Menschen in ihren Gesellschaften einen Rahmen für ihre gemeinsame Sache. Dieser „Rahmen“ für das Miteinander ist notwendig oder mindestens zweckmäßig. Natürlich hat auch das Petanque als ein Spiel oder als ein Sport sein offizielles Regelwerk, das selbstverständlich eingehalten werden sollte um den Spielablauf zu gewährleisten, oder um überhaupt einen Sieger ermitteln zu können usw..

Das Petanque lebt aber viel mehr als andere Sportarten von einem „Rahmen für das Miteinander“, der nur schwer zu beschreiben ist. Manchmal hat man das Glück, an Spieler zu geraten, die nach diesen Konventionen Miteinander spielen. Man könnte diese Konventionen auch als eine Art ungeschriebenes Regelwerk bezeichnen. Egal ob im freien Spiel oder im harten Wettkampf, ob Anfänger oder Profi, trifft man auf „Gegenspieler“ die sich dieser Spielkultur bewusst sind, steigert dies die Freude am Spiel und am Miteinander und zwar unabhängig von Sieg oder Niederlage. Es ist eben dieser Geist, der das Petanque neben seiner rein sportlichen Herausforderung eine Faszination verleiht, die nur schwer zu beschreiben ist. Beim Petanque trifft man nicht wie es oft in anderen Sportarten gegeben ist auf eine bestimmte Gruppierung von Menschen. Der Petanque-Spieler kann weder nach seiner körperlichen Konstitution, einem bestimmten Geschlecht, einer Altersgruppe, einer Nationalität, einer Gesellschaftsschicht, einem Berufsstand oder sonst einer gemeinsamen Kategorisierung zugeordnet werden. Es ist wohl auch oder gerade dieser Tatsache zuzuschreiben, dass mehr als bei anderen Sportarten der Mensch mit seinem Charakter eine große Wirkung auf den Spielverlauf haben kann. Für Soziologen müsste ein Boulodrom eigentlich ein wahres Schlaraffenland sein. Man hat kaum sonst eine so bunte Menschenmischung die etwas gemeinsam betreibt, außer vielleicht in einer U-Bahn fahren aber das ist ja eher eine passive Veranstaltung.

Was sind das nun für Dinge, die diesen Geist, oder sagen wir wenigstens eine gewisse Spielkultur ausmacht? Zum einen gibt es rein praktische Hinweise, an die man sich halten kann um das Spiel für sich selbst angenehmer zu gestalten. Das geht vom Equipment über die Kleidung bis hin zur Ernährung, der körperlichen Kondition u.v.m.. Wie immer im Leben, ist man richtig gerüstet und fühlt sich wohl, geht man eine Sache schon mal anders an. Zum anderen ist es der Umgang mit seinem Gegenüber und der Respekt vor dem Spiel Petanque der über das Einhalten der Regeln hinaus geht. Hier zeigt sich der Mensch. Das Petanque gibt einem die großartige Möglichkeit seine eigene Charakterreife als ein Element mit ins Spiel zu bringen. Man könnte fast sagen; „Zeige mir wie du Petanque spielst und ich sage dir wer du bist“. Für den Umgang miteinander gibt es natürlich kein Patentrezept. Die Faktoren sind so vielfältig wie die Menschen die aufeinander treffen und die Kombinationen von Mit- und Gegenspieler sind so Unterschiedlich wie sie nur sein können. Deshalb können die folgenden Hinweise auch nur als Vorschläge gemeint sein, die man als groben Rahmen annehmen kann, wenn man offen dafür ist im Petanque mehr zu sehen als das Werfen von Kugeln als Freizeitbeschäftigung.

Vor dem Spiel

Dinge wie Essen, Trinken (und das Gegenteil) sollte man vor dem Spiel erledigen. Wenn die Grundbedürfnisse nicht gedeckt sind, werden sie im Kopf wichtiger als das Spiel. Während des Spiels kann das die eigene Konzentration stören oder den Spielfluß unterbrechen. Das gilt natürlich insbesondere für das Telefon, was für einige Menschen wohl mittlerweile auch zu den Grundbedürfnissen zu zählen scheint. Die Kleidung sollte in Hinblick auf das Wetter richtig gewählt sein. Unbequeme oder unpassende Kleidung(Schuhe) stört das eigene Spiel, das Umziehen während des Spiels ebenso. Bei Turnieren oder bei Ligaspielen sollte man als Mannschaft nicht nur in seinem Verhalten auf dem Platz, sondern auch was die Kleidung angeht als Einheit auftreten. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und der Gegner sieht sich einer Einheit Gegenüber. Die obligatorische Münze zur Platzwahl, ein Cochonnet und ein Maßband sollte man ebenso selbstverständlich dabei haben, wie die eigenen Kugeln. Dies gibt einem auch immer die Möglichkeit dem Gegner z.B. das Maßband zu leihen und bei großen Weiten mit ihm gemeinsam zu Messen. So kann man den Gegner auf sympathische Weise mit einbeziehen. Es stärkt auch nicht die eigene Position gegen einen starken Gegner hinten zu liegen um ihn dann auch noch um das Maßband zu bitten.

Auf dem Platz

Auf dem Platz sollte man sich so Verhalten und Positionieren, dass dadurch der Verlauf der Partie nicht beeinflusst wird. Sich auf dem Platz so zu Verhalten und zu Positionieren, dass dadurch der Verlauf der Partie zum eigenen Vorteil beeinflusst wird, ohne dass es jemand mitbekommt ist die wohl höchste Kunst sich auf dem Platz zu bewegen. Eine Mannschaft sollte durch ihr Auftreten (Positionierung) als Einheit wirken. Wenn der Gegner spielt, sollte(darf) man nicht zwischen Sau und Kreis stehen. Grundsätzlich befindet sich die eigene Mannschaft außerhalb des Spielfeldes wenn der Gegner im Kreis steht. Da dies oft aus Platzgründen nicht möglich ist, sollte man sich nach Möglichkeit so aufstellen, dass man außerhalb des Wahrnehmungsradius des aktiven Spielers steht. Optimal steht man als Team geschlossen mind. 2 Meter (besser mehr) seitlich hinter der Sau. Alternativ mindestens in 2m Abstand seitlich hinter dem Wurfkreis. Die Kugeln die nicht gespielt oder aus sind, haben grundsätzlich nichts auf dem Spielfeld verloren. Lob und Freude über eine gelungene Aktion sind natürlich wichtig und schön und sorgen für Motivation und Zusammenhalt. Mit seinem Jubel und seinen Beifallsbekundungen sollte man sich aber etwas zurück halten. Es sollte nicht störend oder Überheblich wirken. Lautstarke Beileidsbekundungen als Bewertung der eigenen oder gegnerisch gespielten Kugeln sollten Anfängern vorbehalten bleiben. Glückskugeln sollten gar nicht kommentiert werden, auch nicht durch abklatschen, bestenfalls kann man sich dafür entschuldigen. Natürlich freut es einen, wenn beim Gegner etwas schief geht, offene Freude über fehlgelaufene Aktionen des Gegners zeigt allerdings wenig Stil im fairen Miteinander sondern eher die eigene Schwäche. Wer nicht in der Lage ist, sich einen Kreis, den Spielstand oder die Position der Kugeln zu merken sollte an seiner Konzentration arbeiten. Fragen nach dem Spielstand, dem richtigen Kreis oder der Anzahl der noch zu spielenden Kugeln oder wem welche Kugel gehört sind natürlich nicht verboten, zeugen aber nicht gerade von Souveränität. Man hebt keine fremden Kugeln auf, außer der Besitzer der Kugeln bittet einen darum. Hebt man nach einer Aufnahme versehentlich eine fremde Kugel auf, wirft man diese nicht einfach weg, damit sie nochmal ordentlich Schlamm aufnimmt. Meistens steht der Eigentümer schon hinter einem und freut sich wenn er seine Kugel mit einem freundlichen Gesicht in die Hand bekommt. Der Idealfall ist natürlich: Ich weiß sowieso, wo meine Kugeln hingeflogen sind und hebe nur meine auf. Will man sich eine Gegnerische Kugel ansehen, sollte man vorher Fragen. Der beste Zeitpunkt dazu ist aber am besten nach dem Spiel.

Der Umgang Miteinander

Vor dem Spiel sollte man dem Gegner und den eigenen Mitspielern ein gutes Spiel wünschen und somit seinen Respekt voreinander zeigen. Dann klärt man mit dem Gegner was tot ist und was nicht und ob man mit Spielfeldbegrenzung spielt oder nicht. Dem Gegner gibt man während des Spiels keine Tipps: „Ich würde schießen!“ oder im Nachhinein „Ich hätte geschossen!“ Nach dem Spiel kann man über alles reden, im Spiel wirkt dies entweder überheblich oder einfach nur unangebracht. Natürlich trifft man die üblichen Absprachen zur Taktik oder was als nächstes zu tun ist. Die Kommunikation in der eigenen Mannschaft ist wichtig und nicht selten Spielentscheidend. Dem eigenen Mitspieler zu sagen wo er wie spielen soll, ohne dass er dies erfragt, zeugt aber nicht vom Vertrauen in die eigene Mannschaft, es kann sogar den eigenen Spieler gegenüber dem Gegner bloß stellen. Erkennt man dessen Unsicherheit den richtigen Weg oder die richtige Technik zu finden kann man einen dezenten Hinweis geben. Aber Achtung, jeder Spieler hat sein Ritual vor dem Wurf: Atmen, lockern, Weg abschreiten, Donnée schließen usw. eben seine Konzentrationsphase. Dieses „Zögern“ darf man nicht als Unsicherheit interpretieren, das Gegenteil der Fall. Der Spieler weiß schon lange, was er vorhat, zieht aber sein Ritual durch, um Ruhe ins eigene Spiel zu bringen. Trete nie überheblich auf, egal wer dein Gegner ist. Auch nicht beim Stand von 12:0 gegen stark unterlegene Gegner. Nicht anfangen dann zu experimentieren, sondern das Spiel konzentriert und mit Respekt zu Ende spielen. Bescheiden gewinnen und souverän verlieren sollte die Devise sein. Steht ein Spieler im Kreis, egal ob Gegner oder Mitspieler, verhält man sich ruhig, bleibt stehen und wartet ab bis die Kugel gespielt ist. Das gleiche gilt für Spiele auf der Nebenbahn. Oft sind die Bahnen auf Turnieren eng gesteckt und erfordern von allen eine gewisse Disziplin. Sollten die Spieler auf der Nebenbahn sich nicht so fair verhalten, ist dies kein Grund es selbst nicht zu sein. Gib deinem Mitspieler nie das Gefühl allein auf dem Platz zu stehen. Das kann über Sieg und Niederlage entscheiden. Selbst in klaren oder aussichtslosen Situationen sollte die nächste Aktion immer als gemeinsame Entscheidung fallen.

Das Spiel

Der Wurfkreis sollte 40 – 50 cm groß sein, nicht größer. Beim Wurf einer Kugel (wie der Name des Spiels schon sagt) mit beiden Füßen im Kreis bleiben bis die Kugel den Boden berührt! Nicht Übertreten, kein Bein heben, das bietet dem Gegner Angriffsfläche oder weckt zumindest den Unmut. Falls man die Sau zu kurz oder zu weit ausgeworfen hat, markiert man die Stelle, bevor man sie aufhebt, so dass im Zweifel die Entfernung noch mal nachgemessen werden kann. Selbst bei eindeutig richtiger Entfernung sollte man die Sau vor der ersten Kugel markieren! Falls nicht auf der gesamten Länge von 20 m gespielt werden kann, weil z.B. andere Partien laufen, zieht man in Absprache mit dem Gegner eine Linie, ab der die Kugeln tot sind. Alle toten Kugeln entweder entfernen oder in einen kleinen markierten Kreis legen. Man nimmt aber niemals während der Partie ohne Rückfrage eine Kugel mit dem lapidaren Hinweis „Die war aus!“ aus dem Spiel! Hat der Gegner eine Kugel gespielt, hält man sich solange zurück, bis der Gegner sagt, dass er den Punkt hat oder nicht. Erst dann betritt man das Bild um sich im Zweifelsfall zu vergewissern. Das gleiche gilt, wenn man keine Kugeln mehr hat. Dann hat man in der noch laufenden Aufnahme nichts mehr zu suchen. Bis auch die andere Mannschaft alle Kugeln gespielt hat. Der Gegner gibt Dir Deine Punkte, nicht du selbst! Nachdem alle Kugeln gespielt sind ist „nichts“ klar! Man nimmt niemals eine Kugel aus dem Bild bevor man nicht mit dem Gegner einig ist. Schießt der Gegner, sollte man nicht ungefragt z.B. ein anderes Spiel Abdecken, es sei denn man wird darum gebeten. Auch wenn es ehrlich gut gemeint war, der Schiesser könnte sich gestört fühlen. Den Schiedsrichter sollte man nur hinzu ziehen, wenn es nicht anders geht. Wenn ein Schiedsrichter misst, dann ist Abstand zu halten. Hat man den Schiedsrichter geholt, muß man seine Entscheidung akzeptieren! Verlässt man das Spiel während der Partie, immer beim Gegner oder beim Schiedsrichter abmelden. Die eigene Mannschaft sollte wenn möglich erst weiter spielen, wenn der eigene Spieler zurück ist.

Nach dem Spiel

Das Abklatschen oder der Handschlag nach einem Spiel zeugt vom gegenseitigen Respekt. Auch wenn der Gegner unmöglich oder sogar unfair aufgetreten ist, kann man ihm spätestens dann zeigen wie man sich zu verhalten hat. Erwidert er das Angebot nicht ist es sein Problem und das wird es bis zur nächsten Begegnung bleiben! Zur Spielkultur gehört(e) auch mal, dem Verlierer ein Getränk (Pastis) auszugeben. Wer z.B. gerade aus dem Turnier geflogen ist, freut sich wenn er nicht einfach kalt stehen gelassen wird. Wenn anderthalb Stunden der Kessel unter Dampf stand, kann man so wenigstens mal ein Ventil öffnen.

Quelle: Claus Sternberg

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